March 16, 2016
LIQD zu Gast beim jungen Grassroots-Thinktank Polis 180
Die Diskussion um Digitalisierung und ihr Potenzial als Motor für politische Teilhabe wird gegenwärtig zunehmend kontrovers geführt. Nicht die Digitalisierung an sich wird dabei in Frage gestellt, sondern der Weg, auf dem sie sinnvoll im politischen Alltag eingesetzt werden kann – ihre Vorteile, Herausforderungen und Grenzen.
Auch der Grassroots ThinkTank
Polis180 behandelte am 15. März 2016 diese Frage und ließ die Zuschauer*innen und Teilnehmer*innen zu diesem Thema in den Räumlichkeiten der Wikimedia Foundation in Berlin debattieren. Gereon Rahnfeld vom Liquid Democracy e.V. war als einer der Gastsprecher*innen eingeladen, um in das Thema einzuführen und so eine Diskussionsgrundlage zu schaffen.
In dem Redebeitrag wurde neben der Vorstellung des Vereins auch das Konzept der »flüssigen Demokratie« vorgestellt, um es anschließend an einem der Hauptprojekte des Vereins zu veranschaulichen: meinBerlin.
Dabei standen besonders die folgenden Fragen im Vordergrund:
- Welche Möglichkeiten bestehen, damit politische Partizipation durch digitale Instrumente erhöht wird?
- Welchen qualitativen Einfluss haben eDemokratie und ePartizipation auf die Verfasstheit einer Demokratie?
- Eignet sich die Digitalisierung zum Abbau des »Demokratiedefizits« in Europa?
Die Antworten, die in dem Redebeitrag gegeben wurden sind hier auszugsweise zusammengefasst:
Die
Digitalisierung ist ein Mittel das unter anderem die zeit- und
ortsunabhängige Teilnahme in Echtzeit ermöglicht. Unter diesen Umständen
gelingt es ihr, den Umfang von Partizipation zu erhöhen. Von besonderer
Bedeutung ist dabei das Element der Standardisierung. Während
gegenwärtig bereits viele verschiedene Möglichkeiten der
Online-Partizipation existieren, resultiert die Standardisierung von
Beteiligungsverfahren in einer erhöhten Nutzer*innenfreundlichkeit. Das
Projekt meinBerlin ist hierfür ein gutes Beispiel. Bürgerinnen und
Bürgern ist es ebenso möglich, sich durch die Standardisierung leicht in
einem Verfahren zu beteiligen, wie das Aufsetzen kostengünstiger
Prozesse für Verwaltungsmitarbeiter*innen.
Der erhöhte Zugang zu
Partizipationsangeboten durch die Digitalisierung wird von dem
Potenzial begleitet, vereinfacht auf spezifische Informationen
zuzugreifen. Eine verstärkte Wissensakkumulation auf Seiten von
Bürgerinnen und Bürgern ist durch die Weiterentwicklung von
Kommunikationstechnologien möglich. Die Gelegenheit einer informierteren
Teilnahme wird hierdurch geboten. Diese macht die Partizipation
hochwertiger.
Besonders im europäischen Kontext können die
Möglichkeiten der erhöhten Teilnahme und erleichterten Wissensaneignung
hilfreich sein. Für viele Europäerinnen und Europäer ist das politische
Europa noch Neuland. Die Digitalisierung kann durch die erwähnten
Elemente dazu beitragen, dass sich dies ändert. Insoweit als mit dem
europäischen »Demokratiedefizit« eine fehlende demokratische
Legitimation der europäischen Institutionen beschrieben ist, bilden
beide vorgestellte Elemente einen Weg, dem »Demokratiedefizit« zu
begegnen.
Ein weiterer Redebeitrag wurde von Prof. Dr. Thamy Pogrebinschi
vorgestellt. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung
Demokratie und Demokratisierung des WZB (Wissenschaftszentrum Berlin)
befasste sich mit der Frage, ob die Digitalisierung einen notwendig
positiven Einfluss auf die Qualität von Demokratien ausüben würde und
bildete damit einen produktiven theoretischen Gegenpol zu dem an der
Praxis orientierten Beitrag des Liquid Democracy e.V..
Die
Veranstaltung endete in einer abschließenden Diskussionsrunde, bei der
die angesprochenen Themen kontrovers und intensiv debattiert wurden. In
dem noch relativ neuen Feld der Online-Partizipation war dies eine
willkommene Möglichkeit, die Mittel der ePartizipation auf ihre
Tauglichkeit zu überprüfen. Hierbei kristallisierte sich besonders ein
Charakteristikum als besonders wichtig heraus: Online-Partizipation
beabsichtigt in ihrer derzeitigen Form nicht, die herkömmliche
»Offline-Partizipation« zu verdrängen, sondern sie zu ergänzen. Die
Digitalisierung kann so als Zusatz zu analogen Mechanismen dazu
beitragen, politische Teilhabe essenziell zu verbessern.
Wir bedanken uns bei Polis180 für den ergiebigen und interessanten Abend!